Hallo,
natürlich bleibt die Mail nicht unbeantwortet, da wir ja auch daran interessiert sind, dass alle Seiten mit der angebotenen Lösung zufrieden sind.
Das hier ist keine klassische "Marketing"-Email die nur plump dementiert, sondern wir können besten Gewissens sagen, dass die Messung in der Form leider ungeeignet war um ein verwertbares Ergebnis zu erhalten, auch wenn der Beweggrund und Ansatz nachvollziehbar ist. Ich versuche das einmal verständlich zu erklären, auch im Hinblick darauf, gerne Lösungsansätze für zukünftige verwertbare Messungen zu finden.
Vorab: Natürlich können wir den genauen zeitlichen Ablauf und auch die Vorgehensweise bei den Messungen nicht nachvollziehen, daher entschuldige und korrigiere uns bitte, falls wir hier falsche Annahmen bezüglich der Durchführung treffen:
Grundsätzlich ist es bereits sehr schwierig auf einer relativ gut reflektierenden Oberfläche (wie einer Bremsscheibe) per Infrarot-Messung die Temperaturen zu bestimmen. Entschließt man sich dennoch dazu, dann sind drei Punkte vor allem wichtig: Die Messzeit sollte möglichst gering gehalten werden, das Gerät dabei möglichst still gehalten werden (bestenfalls per Stativbefestigung) und -ganz wichtig!- orthogonal zur Bremsscheibe ausgerichtet werden. Wir verstehen es so, dass hier die Bremsscheibe durchgehend vermessen wurde. Das führt leider dazu, dass durch die (Hand-)Bewegung die vom Messobjekt abgestrahlte IR-Strahlung in alle Richtungen reflektiert wird und nur ein kleiner Anteil, der dazu noch durch Interferenz etc. verfälscht wird, vom Gerät ausgewertet wird. Zum anderen ist die IR-Emission reflektierender Oberflächen generell sehr gering und würde eine aufwändige Korrektur der Emissivität im Gerät benötigen, was die meisten IR-Thermometer garnicht oder nur im begrenzten Rahmen beherrschen. Das Ergebnis sind meist stark schwankende, teils völlig realitätsferne Werte auf der Anzeige. Hält man die Messzeit kurz, verringert man dieses Problem, auch wenn man es nicht völlig vermeiden kann. Daher wäre hier maximal der im ersten Moment der Messung gebildete Wert (110/114°C) ein ungefährer Anfangspunkt, wenn man von der Richtigkeit der Werte und identischer Messbedingungen ausgeht, was für beide! Seiten des Fahrzeuges ehrlich gesagt ausgeschlossen werden kann. "Durchgehende" Messungen sind mit der Technik schlichtweg aufgrund der genannten Schwierigkeiten nicht zuverlässig, weshalb im Motorsport aufgrund der simplen Anwendbarkeit für solche Anwendungen auch gerne Schleifsensoren benutzt werden, die durchgehend Kontakt mit der Bremsscheibe haben. Wir arbeiten aber auch seit geraumer Zeit unter Beachtung der oben genannten Dinge an einem fest verbauten IR-System das zuverlässige Werte abbildet.
Enorm wichtig ist auch der korrekte Messabstand zum Objekt, damit man keine Speichen der Felgen oder Ähnliches versehentlich mit "erwischt", weil der Messbereich durchaus je nach Gerät groß ausfallen kann. Wir besitzen selbst mehrere solcher IR-Thermometer die teils sehr unterschiedliche Messbereiche haben. Der Laserpunkt in der Mitte des Messbereiches ist aber in jedem Fall nur eine Anvisierhilfe. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht spontan nachzusehen: Bei einem unserer Geräte entspricht das "Distance-Spot-Verhältnis" 10:1. Bedeutet, dass man bei einem halben Meter Abstand bereits fast die gesamte Höhe des Reibrings vermisst (5cm) und als einen Messwert auf dem LCD dargestellt bekommt. Fährt man mit dem Laserpunkt die Bremsscheibe ab, so ist es nahezu unmöglich nicht sämtliche umliegenden Bereiche mit zu erfassen (Topf, Hohlraum über der Scheibe, Felgenstern). Wie oben bereits erwähnt, kennen wir aber hier die Ausgangssituation nicht. Die Messwerte weiter ausgeführt, würde das auch bedeuten, dass die Bremsscheibe auf der einen Seite mehr als 100 Grad Unterschied -bezogen auf die Höhe des Reibringes- aufweist. Die 34mm Dicke massive Stahlscheibe des RS3's hat einen sehr guten Wärmeleitwert, weshalb sich derart große Temperaturunterschiede meist binnen Sekunden ausgleichen, was die fehlerhaften Werte nur zu gut verdeutlicht. Damit beziehen wir uns nicht auf kleine Hotspots während der Bremsung, die bedeutend größere Temperaturunterschiede aufweisen können, sondern wirklich auf großflächigere Bereiche, was uns zum nächsten Punkt führt:
Uns fällt besonders, basierend auf eigener Erfahrung aus dem Einsatz im 318ti-Cup, bei der Betreuung von GT4-Fahrzeugen oder bei der Tech-Unterstützung von Trackdays, das auch scheinbar große Zeitfenster zwischen den Bremsungen und der Messung auf. Bremst man beherzt 5-6mal von 200 auf 100kmh trägt man derart viel Wärme in die Bremsanlage ein, dass das definitiv höhere gemittelte Scheibentemperaturen als 100 oder 200 °C auf der gesamten Scheibe zur Folge hat. Aussagekräftige Werte erhält man also möglichst zeitnah nach oft wiederholten und kräftigen Bremsungen, ohne ABS Einsatz und mit einer kurzen Abkühlphase, die die Anströmung durch die Kühllösung(en) gewährleistet (z.B. gemäßigte Abbremsung von 100kmh bis zum Stillstand oder auf die Rennstrecke bezogen: Einrollen in die Boxengasse): -Quasi ein "Boxenstopp" mit sofortiger Messung. Je nachdem wie lange also die Abfahrt von der Autobahn gedauert hat und wie kurvig diese war, hat man hier durch die potentiell sogar ungleichmäßige Abfuhr der Wärme schon wieder eine Normaltemperatur erreicht, die auch mit deutlich schwächeren und kürzeren Bremsungen realisierbar gewesen wäre. Dazu kommt, dass man für möglichst aussagekräftige Messwerte zeitgleich auf beiden Seiten messen sollte. Einige Sekunden sind aufgrund der exponentiellen Temperaturabnahme, gerade wenn die Temperaturen doch vorher höher gewesen sein sollten, viel Zeit für etwaige Messfehler.
Gute Literatur über genau solche Tests und Temperaturverhaltensmodelle sind die AMS-Fading-Test's, die quasi jeder Hersteller mit jedem Modell durchläuft und die kurze aber informative Abhandlung "Bremssysteme für Rennwagen" von Cesarini & Piccoli.
Ich hoffe, dass das ein wenig Licht ins Dunkle gebracht hat und auch das Vertrauen in unser Produkt wiederhergestellt ist. Für Rückfragen stehe ich jederzeit und gerne zur Verfügung.
Beste Grüße!